Mittwoch, 3. Juni 2020

heimlich krank

weißt du warum ich so garnicht geschrieben habe? ich bin krank … aber nur ein bisschen

heimlich krank

seit dem ich mich an etwas erinnern kann - war ich viel krank - dass das viel war, wußte ich natürlich nicht, dass ich viel mehr zuhause rum hing als andere Kinder, war mir nicht bewußt. Erst das Gemecker im Zeugnis der 8. Klasse brachte mich mal zum Nachdenken. Dann aber beschloß ich für längere Zeit die Schule zu schwänzen, also spielte das auch keine Rolle mehr. „Kind, warum bist du so blaß?“.- Also legte ich mich zur Tarnung unters Solarium und bekam Sonnenbrand. Als ich dann ins Leistungsalter kam und die Bühne der Arbeit betrat, konfrontierten mich diverse Chefs mit meinen zahlreichen Krankmeldungen. Das endete meist mit Kündigungen. Das fand ich okay. Ich wollte nie Lohnarbeit machen. Das ging nur leider nicht. Dann wurde es immer heikler, immer schwieriger genug Geld zu verdienen, alleinerziehend ein Kind mit durch zu bringen und sich irgendwie zu bilden nebenher, ich war gerade 19 geworden. Das führte dazu, dass ich so tat, als sei ich nicht krank, wenn ich krank war. Ich aß und schlief weniger, weil das, kurzfristig zumindest, fit macht. So 10-12 Jahre hielt ich das durch, dann gab es plötzlich längere Ausfälle, die ich nicht mehr vertuschen konnte, nicht vor anderen und auch nicht vor mir. Dann gab es Diagnosen. Erst eine dann noch eine, dann wieder eine… dann hatte ich die Schnauze voll und versuchte es mit einer Yogaausbildung. Hilft auf jeden Fall, aber ist natürlich auch keine Lösung. Als Künstler*in kann man das Kranksein einigermaßen gut integrieren. Indem ich einfach so war wie ich war: krank eben…aber cool dabei, merkt keine(r) ob du gerade einen Kater hast oder ne Autoimmunkrankheit.

Krankheit ist ein Makel- ein Stigma! Risikogruppe! Minderheit! „Krankheit ist was für Leute, die nicht klar kommen, eine Schwäche. Krank sind die, die nicht mit Drogen umgehen können, sich falsch ernähren und keinen Sport treiben. Selbst Schuld!“ Das wäre die Konsequenz aus dem, was eine Politik der Gesunden und Wohlhabenden erzeugt.

Im Moment kann ich ganz entspannt krank sein! Weil plötzlich Zeit dafür ist, krank zu sein. Peng! schon bin ich krank! Was heißt es Krank zu sein im neoliberalen Kapitalismus? Es bedeutet von der Arbeitskraft zur Ressource für medizinische Produktion zu werden. Was bedeutet das? Dass Krankheit - unter bestimmten Bedingungen - materialisierter Widerstand sein kann!

Kennst du das SPK - sozialistisches Patienten Kollektiv? Es wurde 1970 gegründet und wehrte sich gegen den herrschenden Krankheitsbegriff. Krankheit als Waffe!
Hier ein Text um eine Idee davon zu bekommen:

"Es gibt Materie nur als Quantität, Materialismus nur als Dialektik, Krankheit nur als Leben des Auseinander und Gegeneinander von Gattung und Vereinzeltem. Der Begriff von Krankheit ist Leben in seiner Unteilbarkeit, lebendige Individualität.
Auch der jeweilige Krankheitsprozeß reflektiert Gattungsspezifisches. Nämlich die erklärte Wirkungsweise so ziemlich aller Waffengattungen: kampfunfähig zu machen.
Dabei individualisiert die Universalgattung Tod das uniform gebrochene Leben. Die allgemeine Gravitation (Schwerkraft und Schwindel) nimmt Druck und Stoß, Abgeschlagenheit und Gliederschmerzen in die undurchdringliche Einheit von Niedergeschlagenheit ("bakteriologisch-chemische Kriegsführung") und Bedrücktsein ("Depression"), wo nicht in den explosiv-detonativen Spannungsumschlag der fieberhaften Manie oder Katatonie zurück.
Fieberschauer von Frost und Hitze repräsentieren die Einheit eines durch Strahlen oder wie auch immer vergifteten Lebens auf dem Weg in Delir und Koma." Quelle: http://www.spkpfh.de/Krankheitsbegriff.htm

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