Dienstag, 22. September 2020

Keine Gewalt in meiner bubble

Eine Woche aus dem Leben einer Tanzschaffenden. Gestern Abend musste ich den Kleinen entlausen bis 23 Uhr die Nissen und Läuse aus dem Haarwust kämmen. Die Große hat Mensschmerzen, derartig, dass ich mir nicht mehr sicher bin, ob wir sie mitnehmen können. Husten hat der Kleene auch noch immer. Wir fahren trotzdem los, nachdem ich um 14 Uhr von der Jurysitzung komme. Direkt in den Bus. Hoffentlich haben wir die Kostüme alle mit. Auf der Rückbank TKKG vorne Fluchen, weil fast Stau. Wir kommen im Dunkeln an. Dortmund. Souterrainwohnen. 3 Zimmer mit nur 2 Fenstern. Alles gekachelt. Ich schlafe nicht, weil die Kacheln alle Geräusche verstärken und ich sowieso vor Gastspielen schlecht schlafe. Ich träume nichts - lausche die ganze Nacht auf den Bienenstock vorm Fenster. Nächster Morgen Probe und 2 Anträge fertig machen. Heute ist deadline, der Text fast fertig. Der Finanzplan stimmt nicht. Nochmal neu. Einkaufen, Kochen, Essen, die Große an die Hausaufgaben erinnern. Streit schlichten. Dann Proben mit nur 3 Tänzer*innen, weil eine noch ne wichtige Probe in Bremen hat. Dann verkacken wir die erste Show von WITCHES. Naja, es läuft halt noch nicht rund, weil wir uns lange nicht zusammen bewegt haben. Neuer Raum und so. Der nächste Abend läuft richtig gut. Wir sind mega eingetuned aufeinander und die Stimmung ist prächtig. Vor der Vorstellung merke ich, das der Film für die Theaternacht - ein andere Projekt digital - auf der Website nicht auftaucht. Was ist da los? Der Server ist überlastet stellt sich heraus. Soviel zum Thema Digitalisierung. Im letzen Moment haut es doch hin. Der Film ist am Start. Die Anträge raus. Es stimmt aber etwas nicht mit dem Dokument. Es ist leer. Nochmal das ganze. Die Show am Abend - wie gesagt - ist perfekt, das Stück verselbstständigt sich. Excessive Showing. Rotwein trinken, Interview geben, mit Dramaturg*in sprechen. Alles ganz leicht. Abbau, einpacken losfahren, ankommen in Hamburg ausräumen, essen kochen, streitschlichten. Alles liegt auf dem Boden rum. Man kommt nicht richtig durch die Wohnung durch. Ich kriege Sehnsucht nach Weite, Strand, Meer, Platz. Der Kleene liegt im Bett kannst du noch Gute Nacht sagen? Am nächsten Tag die Vitrine im Museum bespielen und keine Pause machen. Ich kann nicht einschlafen, weil ich zu müde bin. Kennst du das? Da ist so ein Punkt überschritten und da geht das loslassen nicht mehr. Also bleibe ich wach. Das Seminar nächste Woche dreht sich um das #wild_archive. Mein Rechner und meine Festplatte wurden vor zwei Wochen geklaut, mein handy auch. Das ganze Archiv ist weg - futsch, nicht mehr vorhanden. Ich schöpfe unvorbereitet aus meinen Kenntnissen der Improvisation und sehe aus wie ein Gespenst. Eines fließt ins andere und es gibt kaum Ränder an denen das eine aufhört und das nächste anfängt. Das ist meine bubble. Mein geschützter bubble Raum, der die Realität so gut wie möglich draußen lassen will und es doch nicht schafft. Ich höre Nachrichten und trinke 2 Kannen Espresso. Hey - keine Gewalt in meiner bubble. Ich träume von einer Überschwemmung, eine Welle, ein Meer, dass mein Haus erfasst und unterspült. Ich träume von blitzenden Lichtern auf bleifarbenem Wasser. 

Wie hältst du das aus, Silke? So krasse Ereignisse auf der Arbeit? Was machst du damit? 

2 Kommentare:

  1. Ich habe es meinen Kolleginnen erzählt, das ist ja das Gute, wir sind ein Team, ich bin nicht alleine. Mit den anderen zu reden hat gut getan, ich habe aber auch mit dem Professor gesprochen und ihm gesagt, was ich hier gesagt habe. Das war auch gut.
    Und die Messerattacke, so schlimm es ist, hat mich bestätigt und sicher gemacht, dass ich meinem Gefühl trauen kann, wenn es mir sagt: Sei vorsichtig und sicher Dich ab. Zum Glück ist es nicht in der Nacht eskaliert.

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  2. Du so: dann verkacken wir die erste Show von Witches!
    Ich so: Ach Du Scheiße - und wie es dann weitergeht denke ich wie schaffst Du das den permanenten Ausnahmezustand managen, das Auge im Tornado bleiben - als Gespenst ;)

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